Trio für sechs
Die Kombination einer schöpferischen Ordnung zwischen Geistesgegenwart und Intuition, Regel und Freiheit mit einer biographischen Ebene. Eine Spielregel und eine Besetzungsentscheidung bringen ein Konzert hervor, das künstlerisches Schaffen auf mehreren Ebenen thematisiert: Improvisation und Übung, Kooperation, Erbe, Generationenunrerschied und Handwerk, Nachfolge oder Autonomie …
Bei dieser Formatentwicklung ergänzten wir die klassische Spielregel in improvisierten Konzerten – die Entscheidung wann und wie der jeweilige Musiker sich begleitend in das Werk fügt oder solistisch hervortritt – mit einer weiteren Ebene: Die Möglichkeit, sein Instrument während des Stückes an einen Partner weiterzugeben.
Eine Vervielfachung künstlerischer Entscheidungen im Rahmen einer Konzertimprovisation und der Versuch das Muster an freier Intervention im Rahmen der Stücke komplexer zu gestalten:
Das klassische Jazz-Trio in doppelter Besetzung. Zwei Meister kommen mit ihren Meisterschülern, ein Vorgänger mit seinem Nachfolger. Der eine spielt, der andere wartet jeweils auf seinen Einsatz und übernimmt im Flug. Mitten im Stück.
Erstaufführung 21. November 2019, Montforter Zwischentöne mit Pierre Favre und Chris Jaeger am Schlagzeug, Georg Breinschmid und Heiri Känzig am Kontrabass, Peter Madsen und David Helbock am Klavier.
Bei besonders anspruchsvollen Werken der traditionellen japanischen Theaterform »Nō«, sitzt hinter dem Musiker jeweils eine assistierende zweite Besetzung. Oft Vater und Sohn, manchmal Lehrer und Nachfolger. Bei einer dieser Aufführungen soll sich ein betagter Meister während des Stückes plötzlich umgewandt und sein Instrument an seinen Schüler weitergereicht haben. Als Akt seines Rückzugs und der wertschätzenden Übergabe an seinen künstlerischen Erben.
Inspiriert davon, entwickelten wir ein Konzertformat für ein klassisches Jazztrio, bei dem Klavier, Schlagzeug und Bass mit jeweils zwei Musikern besetzt sind. Künstlerpersönlichkeiten, die in einem Lehrer/Schüler- oder Vorgänger/Nachfolger-Verhältnis stehen.
Die Spielregel lautet für jeden der drei jeweils Spielenden, im Rahmen eines improvisierten Konzertes das Instrument während des Stücks mit seinem jeweiligen Doppelgänger zu tauschen. Wann und wie oft im Laufe eines Werkes an den Partner übergeben wird entscheidet der jeweilige Spieler selbst. Dies erfordert höchste Aufmerksamkeit und eine schöpferische Geistesgegenwart für die jeweiligen Duos sowie das gerade musizierende Trio. Die Wartenden wissen nicht, wann sie übernehmen werden. Die Spielenden müssen blitzschnell auf die Impulse des neu Dazukommenden reagieren.
Fragen für die Zuhörenden
Wie stark hören wir innerhalb eines Werks die Unterschiede musikalischer Mentalitäten, Interpretationsstile oder ästhetischer Vorlieben verschiedener Spieler desselben Instruments?
Wie ändert sich der Sound der gesamten Formation, wenn ein Musiker das Ensemble verlässt und ein anderer seinen Platz einnimmt?
Wie klingt dasselbe Instrument von einem anderen gespielt?
Nehmen wir die emotionelle Beziehung zwischen den jeweiligen Musikern, den unterschiedlichen Generationen und ihre musikalische Wahlverwandtschaft wahr?